Gewalt am Arbeitsplatz. Zahlen, Fakten und was diese für Arbeitgeber bedeuten. youCcom stellt neues Modul zum Thema vor

Kernthemen: Gewalt am Arbeitsplatz, Umgang mit Gewalt in Unternehmen und im Umfeld, sexuelle Belästigung, Diskriminierung, Mobbing, Prävention von Gewalt und Aggression, Analysemodul im Rahmen der Gefährdungsbeurteilung psychischer Belastung, Gewalt am Arbeitsplatz keine Chance geben, unterschiedliche Formen von Gewalt am Arbeitsplatz

Lesezeit: 12 Minuten

Gewalt am Arbeitsplatz – Laut der kürzlich veröffentlichten Zahlen der DGUV (9/2023) ist im Jahr 2022 die Anzahl an Arbeitsunfällen, die durch menschliche Gewalt, Angriff oder Bedrohung verursacht wurden, wieder auf das Niveau der Vor-Corona-Jahre angestiegen. Bereits vor Corona war eine jährliche Zunahme der Zahlen zu verzeichnen.

youCcom smartLion Gewalt am Arbeitsplatz Prävention durch Arbeitgeber

Mehr als die Hälfte, nämlich 54,1% dieser Arbeitsunfälle geht auf die Ausübung von Gewalt durch betriebsfremde Personen, wie beispielsweise Kunden, Patienten oder deren Angehörige, oder auch Personen, die an Einsatzorten präsent sind, zurück.

In diese Statistik gehen nur meldepflichtige Unfälle ein, also solche, infolge derer die geschädigten Beschäftigten mehr als vier Tage arbeitsunfähig sind oder zu Tode kommen. Zwischen psychischen und physischen Auswirkungen auf die Gesundheit wurde in der Statistik nicht unterschieden.

Gewalt am Arbeitsplatz

In Pflege- und Altenheimen machen Gewaltunfälle etwa 12% der gesamten Arbeitsunfälle aus, im gewerblichen Gesundheitswesen gehen darauf insgesamt etwa 6% der Arbeitsunfälle zurück. In Krankenhäusern der öffentlichen Hand sind es immerhin 4,6%, bei psychiatrischen Krankenhäusern allerdings fast ein Viertel, dort sind rund 23% aller Arbeitsunfälle von Beschäftigten Gewaltunfälle.

Unfälle durch menschliche Gewalt, Angriff, Bedrohung, Überraschung – gewerbliche Berufsgenossenschaften nach Wirtschaftszweig (abhängig Beschäftigte, Unternehmerinnen und Unternehmer, ohne Berufssportler)

Gewalt am Arbeitsplatz Unfälle durch menschliche Gewalt Angriff Bedrohung Überraschung










Insbesondere in Situationen, in denen sich Menschen bereits in einem erhöhten psychosozialen Anspannungszustand befinden, sich ausgeliefert und hilflos fühlen und bezüglich ihrer persönlichen Not nicht selbst handlungsfähig sind, können unbefriedigende Aspekte wie lange Wartezeiten oder Unklarheiten Aggressionshandlungen wahrscheinlicher machen. Die Angst um Angehörige, körperliche Einschränkungen und Schmerzen oder auch kognitive Beeinträchtigungen sowie Intoxikation gelten ebenfalls als begünstigende Faktoren.

Diskriminierung und Belästigung am Arbeitsplatz

Neben körperlichen und verbalen Attacken können weitere Verhaltensweisen dem Themenbereich der Gewalt am Arbeitsplatz zugeordnet werden. Hierbei unterscheidet man bspw. Diskriminierung, sexuelle Belästigung und Mobbing.

Gewaltprävention im Rahmen der GBpsych

youCcom liefert im Rahmen der Analyse zur Gefährdungsbeurteilung psychischer Belastung mit dem optionalen Modul Gewalt am Arbeitsplatz eine effiziente Möglichkeit, das Auftreten von Gewalt am Arbeitsplatz sowie (sexueller) Belästigung und Diskriminierung gezielt und dennoch anonym zu erfassen.

Hierbei wird direkt ermittelt, ob die Thematik betriebsintern oder durch Dritte verursacht wird.

Es folgen eine systematische Risikoanalyse und entsprechende Maßnahmen zur Prävention und dem Schutz der Beschäftigten.

Mit den gesammelten Informationen können Gefährdungspotenziale in den Bereichen identifiziert und passgenau Abhilfe geschaffen werden. Oft sind besondere Gegebenheiten zu berücksichtigen und im Zusammenspiel von Beschäftigten und Führungskräften, dem technischen Arbeitsschutz und geschulten Experten für Deeskalation, Supervision etc. umzusetzen.

Beenden Sie den Blindflug!

Durch die Identifikation von Risikobereichen sowie die Erfassung von Vorfällen legen Arbeitgeber die Grundlage für eine effektive Prävention von Gewalt, Belästigung und Diskriminierung am Arbeitsplatz.

Sie werden in die Lage versetzt, zielgenau zu reagieren und geeignete Maßnahmen zu implementieren. So wird ein zunehmend sicheres Arbeitsumfeld für die Beschäftigten geschaffen, in dem sie ihre Leistungsfähigkeit voll entfalten und sich auf die wichtigen Dinge konzentrieren können.

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Wissenskasten

Diskriminierung

Das Allgemeine Gleichbehandlungsgesetz (AGG) soll Menschen vor Diskriminierung aufgrund sogenannter geschützter Merkmale schützen. Es verbietet unter anderem Benachteiligungen im Arbeitsleben

  • aus rassistischen Gründen,
  • wegen der ethnischen Herkunft,
  • des Geschlechts,
  • der Religion oder Weltanschauung,
  • einer Behinderung,
  • des Alters oder
  • der sexuellen Identität.

Dabei beginnt der Diskriminierungsschutz schon im Bewerbungsprozess und erstreckt sich über das laufende Arbeitsverhältnis bis zu dessen Beendigung.

Laut der im Frühjahr 2023 erschienenen Studie der Bertelsmann Stiftung zur Diskriminierung sehen heute 79% der Frauen und 69% der Männer Gleichbehandlung und Vielfalt als Wettbewerbsvorteil für Unternehmen an.

Dennoch sind die Raten der Diskriminierungserfahrungen nach wie vor hoch. 27% der Anfragen mit AGG-Bezug bei der Antidiskriminierungsstelle des Bundes beziehen Sie auf den Arbeitskontext. Laut European Working Conditions Telephone Survey (EWCTS) 2021 berichtete rund jeder zehnte Befragte von Diskriminierungserfahrungen am Arbeitsplatz innerhalb der letzten 12 Monate. Frauen sind mit 12% häufiger betroffen als Männer (9%).

Unternehmerische Herausforderungen angehen durch Gleichbehandlung und Diversity/ Diversität

Dabei haben Arbeitgeber vielfältige Möglichkeiten, um Antidiskriminierungsmaßnahmen zu etablieren und etwa mit flexiblen Arbeitszeitmodellen, Altersteilzeit oder Anwerbung von Absolventen aus dem Ausland auch Herausforderungen wie dem Fachkräftemangel und Brain Drain – dem Abfluss von Wissen – zu begegnen.

Akzeptanz von Antidiskriminierungsmaßnahmen in der Wirtschaft

Gewalt am Arbeitsplatz Akzeptanz von Antidiskriminierungsmaßnahmen in der Wirtschaft

Das zeigt, dass Unternehmen neben der moralischen Verpflichtung und zur Vermeidung von Klagen aufgrund von Diskriminierung weitere Vorteile dadurch haben, Diskriminierung zu unterbinden und Pluralität in der Belegschaft zu fördern. Auch im Sinne einer verbesserten Zusammenarbeit in den Teams, einer Erweiterung der Perspektiven, z.B. in der Produktentwicklung oder etwa im Hinblick auf die Arbeitgeberattraktivität, ist die Schaffung und Entwicklung einer vielfältigen Belegschaft in Organisationen anzustreben. Aktuell glauben noch 81% der unter 30jährigen Befragten der Bertelsmannstudie, dass die Wirtschaft kein echtes Interesse an Gleichbehandlung habe.

Sexuelle Belästigung am Arbeitsplatz

Eine besondere Form der Gewalt am Arbeitsplatz ist die sexuelle Belästigung. Sie kommt in deutschen Unternehmen weit häufiger vor als viele vermuten: In der letzten Studie der Antidiskriminierungsstelle des Bundes gaben 13% der befragten Frauen und 5% der befragten Männer an, ihnen sei in den vergangenen drei Jahren sexuelle Belästigung am Arbeitsplatz widerfahren. Am weitaus häufigsten wurden sexualisierte Kommentare und Witze (62%), belästigende Blicke, Gesten und Nachpfeifen (44%), sexualisierte Fragen (28%) sowie unerwünschte Berührungen und Bedrängen (26%) berichtet (Antidiskriminierungsstelle des Bundes, 2019).

Erlebte Formen/ Handlungen von sexueller Belästigung am Arbeitsplatz

Gewalt am Arbeitsplatz Erlebte Formen Handlungen von sexueller Belästigung am Arbeitsplatz

Wissenskasten

Sexuelle Belästigung

Die Antidiskriminierungsstelle des Bundes definiert sexuelle Belästigung als „jedes sexualisierte Verhalten, das von der betroffenen Person nicht erwünscht ist. Dazu zählen nicht nur verbale und physische Belästigungen, wie sexualisierte Sprüche oder unerwünschte Berührungen, sondern auch non-verbale Formen wie anzügliche Blicke oder das Zeigen pornografischer Bilder.“ Hierbei ist die objektive Wahrnehmung, ob ein Verhalten einen sexuellen Charakter aufweist, ausschlaggebend, nicht die Absicht der ausübenden Person.

Mitarbeitende im Gesundheitswesen dreimal häufiger betroffen

Die aktuellste repräsentative Studie auf europäischer Ebene ist die EWCTS (2021), welche neben psychischer und physischer Gewalt auch sexualisierte Gewalt am Arbeitsplatz erhebt. Während europaweit im Durchschnitt 1,8% der Befragten angaben, im vergangenen Monat Ziel „unerwünschter sexualisierter Aufmerksamkeit“ gewesen zu sein, so waren es ganze 5,7% aller akademischen und 4,7% aller nicht-akademischen Mitarbeitenden im Gesundheitswesen. Insgesamt ist diese Gruppe also dreimal gefährdeter, sexualisierter Gewalt am Arbeitsplatz ausgesetzt zu sein.

Gewalt am Arbeitsplatzt – Mitarbeitende im direkten Kundenkontakt: Unwanted sexual attention in the workplace reported in the past month (EU27)

Gewalt am Arbeitsplatz Mitarbeiter im direkten Kundenkontakt

Ausgehen können sexuelle Belästigungen sowohl von betriebsfremden Personen wie Kund*innen und Patient*innen, als auch von Kolleg*innen oder Vorgesetzten, also organisationsinternen Personen. Insbesondere bei Vorliegen eines hierarchischen Gefälles kann ein struktureller Machtmissbrauch dahinterstecken. In jedem Fall ist der Arbeitgeber, wie auch bei den anderen Formen von Gewalt am Arbeitsplatz, unter anderem aufgrund seiner Fürsorgepflicht sowohl zur Prävention und Information, als auch zur angemessenen Reaktion bei Auftreten solcher Tatbestände verpflichtet.

Täter-Opfer-Beziehungen bei sexuell belästigenden Situationen am Arbeitsplatz in den letzten drei Jahren (gesamt und nach Geschlecht), Basis: Betroffene von sexueller Belästigung am Arbeitsplatz

Täter-Opfer-Beziehungen bei sexuell belästigenden Situationen am Arbeitsplatz

Mobbing am Arbeitsplatz

Das Meinungsforschungsinstitut youGov ermittelte 2021, dass rund 29% der Deutschen schonmal an ihrem Arbeitsplatz gemobbt wurden. Weitere 17% gaben an, Mobbing schonmal am Arbeitsplatz miterlebt zu haben und 4% gaben an, selbst jemand anderen aktiv gemobbt zu haben.

In Anbetracht der gravierenden gesundheitlichen Folgen, die Mobbing für Betroffene haben kann, sind diese Zahlen besonders kritisch. Es geben nur 26% der Befragten an, bei ihrem Arbeitgeber Hilfsangebote für Mobbingopfer vorzufinden.

Wissenskasten

Mobbing

Bei Mobbing handelt es sich um systematische und über einen gewissen Zeitraum andauernde Handlungen mit dem Ziel, die Würde und Persönlichkeit einer Person zu verletzen. Dies drückt sich am Arbeitsplatz beispielsweise durch potenziell strafrechtlich relevante Handlungen wie üble Nachrede, Verleumdungen oder Beleidigungen, aber auch durch Schikanierungen wie soziale Isolation oder das absichtliche Vorenthalten von Informationen aus und findet als Cybermobbing in den vergangenen Jahren zunehmend auch online statt.

Arbeitgeber auch bei Mobbing in der Pflicht

Tritt Mobbing, oder auch Bossing (Mobbing durch Vorgesetzte) oder Staffing (Mobbing eines Vorgesetzten durch seine Mitarbeitenden) in einem Unternehmen auf, ist die Situation für Arbeitgeber oft schwierig und es gilt, angemessen zu reagieren. Denn aufgrund seiner Fürsorgeplicht und Bestimmungen des Betriebsverfassungsgesetzes ist ein Arbeitgeber verpflichtet, seine Mitarbeitenden vor Mobbing zu schützen.

Grundsätzlich lohnt es sich auch in diesem in diesem Bereich Prävention zu betreiben, denn immerhin 15% der von youGov Befragten gaben an, im Falle von Mobbing den Job zu wechseln.

Folgen von Belästigung, Diskriminierung und Gewalt am Arbeitsplatz für Betroffene

Die psychische Belastung im Zusammenhang mit Gewalterfahrungen am Arbeitsplatz und der Angst vor Übergriffen kann sich auf Beschäftigte unterschiedlich auswirken. Kurzfristig sind häufig akute Belastungssymptome wie beispielsweise Alpträume oder Schlafstörungen prävalent. Ohne passende Vorkehrungen zum Schutz der Mitarbeitenden sowie eine angemessene Nachsorge nach Vorfällen, können sich gravierende Folgen von Ängsten, Depressionen und erhöhten Suchttendenzen bis hin zur Arbeitsunfähigkeit entwickeln.

Rund ein Zehntel der Opfer gewaltvoller Übergriffe in Kliniken beispielsweise entwickeln posttraumatische Belastungsstörungen (Perry & Robertson, 2010). Aktuelle Studien zeigen, dass der Anteil an Mitarbeitenden mit Symptomen posttraumatischer Belastungsstörungen in Bereichen wie der Notaufnahme besonders hoch ist, insbesondere beim pflegenden Personal. In einer anderen Studie litten mehr als die Hälfte der Betroffenen von physischer Gewalt am Arbeitsplatz noch 30 Monate nach dem Übergriff unter psychischen Beeinträchtigungen (de Puy et. al, 2015).

Angst und Stress. Gewalttätige Übergriffe haben Folgen bei den Beschäftigten aus dem öffentlichen Dienst und privatisierten Dienstleistungssektor

Gewalt am Arbeitsplatz Angst und Stress gewälttätige Übergriffe

Gewalt am Arbeitsplatz und die Folgen für Organisationen

Neben etwaigen rechtlichen Konsequenzen bis hin zu Schadenersatz und Schmerzensgeld, wirken sich alle genannten Themen auch anderweitig negativ auf Unternehmen und Belegschaft aus. Zu den durch die Vorkommnisse verursachten gesundheitsbedingten Ausfällen bis hin zur Arbeitsunfähigkeit, kommen ein Verlust an Produktivität bei Betroffenen, eine erhöhte Fluktuation sowie eine schlechte Stimmung im Betrieb, eine geringere Arbeitgeberattraktivität und je nach Ausmaß des Bekanntwerdens und des angemessenen Umgangs mit der Thematik auch ein Verlust des Rufs des gesamten Unternehmens.

Mit der Gefährdungsbeurteilung Sicherheit schaffen

Es wird deutlich, dass Gewalt und Belästigung im Arbeitskontext eine ernstzunehmende Rolle spielen und bei der Gefährdungsbeurteilung unbedingt zu berücksichtigen sind, insbesondere auch, weil sie gravierende Folgen für die Gesundheit und Arbeitsfähigkeit der Beschäftigten haben kann. Es ist dabei wichtig zu unterscheiden, ob die Gefahr von Gewalt bei der Arbeit tätigkeitsimmanent, also durch die Natur der Tätigkeit begründet ist, wie es beispielsweise im Patientenkontakt vermehrt der Fall ist, oder ob es sich um ein betriebsinternes Auftreten, beispielsweise im Kollegenkreis, handelt.

Die Unterscheidung ist deshalb wichtig, weil dem Arbeitgeber zur Prävention verschiedene Maßnahmen und Ansatzpunkte zur Verfügung stehen. An klinischen und pflegerischen Arbeitsplätzen ist zumeist von einer tätigkeitsimmanenten Gefährdung auszugehen. Ob zusätzliches Fehlverhalten innerhalb der Organisation vorliegt, muss dennoch unbedingt ergründet werden.