Wer billig (oder leere Versprechungen) kauft, kauft zweimal – das gilt auch bei der Gefährdungsbeurteilung psychischer Belastung!

GBpsych-Angebote wie „Online-Befragung rechtssicher selber machen“ sind unseriös. Sie suggerieren, dass dieser kleine Teilschritt zu einer Rechtssicherheit im Thema führt. Eine Befragung kann DSGVO-konform sein. Rechtssicherheit besteht, wenn Maßnahmen gezielt abgeleitet, umgesetzt und in ihrer Wirkung kontrolliert werden. Genau dann ist eine GBpsych eine gezielte Investition in die Leistungsfähigkeit und Zukunftsfähigkeit Ihres Unternehmens.

Dieses Beispiel ist nur eines von vielen. Der folgende Artikel hilft Ihnen zielsicher in die Thematik und die Anbieterauswahl einzusteigen. Trennen Sie die Spreu vom Weizen. Trennen Sie Fachexperten von „Marketingexperten“!

Kernthemen: Gefährdungsbeurteilung psychischer Belastung (GBpsych), Angebote zur Gefährdungsbeurteilung psychischer Belastung

Lesezeit: 8 Minute

In den vergangenen Jahren hat das Thema Gefährdungsbeurteilung psychischer Belastung (GBpsych) zunehmend an Popularität gewonnen. Hierzu hat nicht unwesentlich die deutlich erhöhte Salonfähigkeit des Themas psychische Gesundheit beigetragen. Aber gerade die sich immer deutlicher aufdrängende Erkenntnis, dass diese auch einen betriebswirtschaftlich hochrelevanten Faktor für Unternehmen und Volkswirtschaften darstellt, welche Jahr für Jahr Milliarden aufgrund von Fehltagen im Zusammenhang mit psychischen und psychosomatischen Erkrankungen verlieren, treibt die Akteure ins Handeln.

Wer billig kauft GBpsych

Vielzahl von Anbietern

In diesem Zuge haben sich, neben den Berufsgenossenschaften (BG) und Unfallkassen, welche ihre Mitglieder traditionell schon immer in Fragen des Arbeits- und Gesundheitsschutzes betreut haben, auch eine Vielzahl großer und kleiner Anbieter für die Beratung zur Durchführung der GBpsych hervorgetan.

Da sind z.B. die eigentlich im technischen Arbeitsschutz beheimateten Unternehmen, welche die Thematik neben Brandschutz oder Gefahrstoffen in ihr Portfolio aufgenommen haben. Dann gibt es die Gesundheitsberatungen, welche bis dato hauptsächlich Angebote der Betrieblichen Gesundheitsförderung (BGF) gemacht haben und üblicherweise eher aus dem Sport- und ernährungsphysiologischen Background kommen. Außerdem gibt es Psychologen mit dem Fokus auf die Arbeits- und Organisationspsychologie, welche sich von Haus aus mit dem Menschen in seiner Arbeitswelt und damit im Zusammenhang stehenden Fragestellungen befassen.

Diese Unternehmen können große überregionale Organisationen oder auch Ein-Mann/Frau-Betriebe sein, und natürlich alles dazwischen. Seit es die digitale Technologie ermöglicht, viele Prozesse wie die Auswertung von Befragungen oder Darstellung von Ergebnissen zu automatisieren, ist der Markt auch sehr viel lukrativer geworden. Das ruft inzwischen leider vermehrt auch Akteure auf den Plan, welche zwar mit gesetzes- und GDA (gemeinsame Deutsche Arbeitsschutzstrategie)-leitlinienkonformen Lösungen werben, aber bei genauerem Hinsehen zweifelhafte bis unseriöse Aussagen treffen.

Ohne Expertise und ohne Sinn

So wird teilweise suggeriert, bereits die Durchführung einer Mitarbeiterbefragung würde die GBpsych gesetzeskonform abbilden. Dies ist natürlich weit weg vom Anspruch, den das Arbeitsschutzgesetz an Gefährdungsbeurteilungen (jeglicher Art) stellt. Denn nur, wenn bei Bedarf auch geeignete Maßnahmen abgeleitet, umgesetzt und dann noch in ihrer Wirkung kontrolliert werden, kann man von einer Gefährdungsbeurteilung sprechen, die diesen Anspruch erfüllt. Hinzu kommen noch andere Aspekte wie die Dokumentation etc., aber Kern und Anliegen ist, dass Gefährdungen aufgedeckt und wirksam abgestellt werden.

Genau deshalb ist es auch von unschätzbarem Vorteil, wenn die Durchführenden umfangreiche Fachkenntnisse im Bereich des Arbeitsschutzes und der Arbeits- und Organisationspsychologie haben. Denn die Wirksamkeit und Geeignetheit von Maßnahmen ist mal mehr und mal weniger gut ersichtlich. So sind Maßnahmen häufig vielschichtig und wirken sich in andere (Arbeits-)Bereiche und ggf. auf andere Teams aus. Insellösungen helfen da nur einigen wenigen weiter.

Klassisches Beispiel zum Verständnis

Ein klassisches Beispiel sind hier die Themen Zeitdruck und Arbeitsmenge, bei denen von Laien gerne durch Delegieren Abhilfe geschaffen wird. Auf den zweiten Blick wird allerdings meist deutlich, dass die Belastung so auch nur verschoben wird und es einer eher strukturellen Intervention bedarf, die vielleicht in einem ganz anderen Fachbereich angesiedelt ist (beispielsweise bei langsamen und zeitaufwändigen Software-Lösungen, für deren Betreuung die IT zuständig ist).

Gerade beim Thema Arbeitsmenge kommt der Laie gerne auf die Lösung mehr Personal. In Zeiten des Fachkräftemangels ein frommer Wunsch. Der Fachmann weiß genau wie alle Faktoren eines wissenschaftlich validierten Modells zusammenspielen und somit, dass die Freiheitsgrade bei der Arbeit ein wirksamer Stellhebel sind, um die Belastung durch die Arbeitsmenge gezielt zu reduzieren.

Ohnehin setzen wohlmeinende Durchführende ohne den notwendigen fachlichen Background gerne „beim Menschen an“. Das ist jedoch gegen die Maxime der Maßnahmenhierarchie, auch als TOP-Prinzip bekannt: Erst ist bei der Technik anzusetzen, dann sind organisatorische Lösungen zu suchen, und erst wenn damit immernoch nicht die gewünschte Belastungsoptimierung erzielt wurde, wird an der Person und ihrem Verhalten angesetzt. Das ergibt sich aus §4 des Arbeitsschutzgesetzes:

„Die Arbeit ist so zu gestalten, dass eine Gefährdung für das Leben sowie die physische und die psychische Gesundheit möglichst vermieden und die verbleibende Gefährdung möglichst gering gehalten wird;

Gefahren sind an ihrer Quelle zu bekämpfen;

bei den Maßnahmen sind der Stand von Technik, Arbeitsmedizin und Hygiene sowie sonstige gesicherte arbeitswissenschaftliche Erkenntnisse zu berücksichtigen;

Maßnahmen sind mit dem Ziel zu planen, Technik, Arbeitsorganisation, sonstige Arbeitsbedingungen, soziale Beziehungen und Einfluss der Umwelt auf den Arbeitsplatz sachgerecht zu verknüpfen;

individuelle Schutzmaßnahmen sind nachrangig zu anderen Maßnahmen;

…“

In diesem Zuge ist auch das Zusammenspiel aus Verhältnisprävention (sichere und gesundheitsförderliche technische und organisatorische Verhältnisse schaffen) und Verhaltensprävention (das individuelle Verhalten, um sicher und gesund am Arbeitsplatz zu bleiben) zu nennen.

Um beim Beispiel Zeitdruck und Arbeitsmenge zu bleiben, könnte man also zunächst schauen, ob eine verbesserte Software die Situation ausreichend entschärfen kann. Im nächsten Schritt sollten weitere effektive Stellschrauben wie angesprochene Erhöhung der Freiheitsgrade genutzt werden. Sollte das nicht der Fall sein, könnte man organisatorisch, z.B. durch eine unterstützende Arbeitskraft tätig werden. Nur wenn sich beispielsweise herauskristallisiert, dass die Anwender aufgrund ineffizienter Herangehensweisen in Zeitdruck geraten, sollte man nach reiner Lehre mit Anwenderschulungen oder Zeitmanagement-Workshops bei der Person ansetzen.

Am Beispiel wird auch deutlich, warum die Analyse der Arbeitsbedingungen immer Hand in Hand mit der Erfassung der zentralen Führungsfaktoren und den Resilienzfaktoren der Mitarbeitenden gehen muss. Diese Faktoren liefern nicht nur die Antwort auf die Frage, wie Mitarbeitende und Führungskräfte mit den Rahmenbedingungen umgehen (können), sondern auch weitere wichtige Stellhebel. So sind das Sinnerleben und die Nachvollziehbarkeit Resilienzfaktoren, die das Thema Zeitdruck und Arbeitsmenge auffangen können.

Natürlich sind bei allen Maßnahmen auch praktische und wirtschaftliche Aspekte zu berücksichtigen. So kann man nicht jährlich neue Maschinen anschaffen oder unbegrenzt Leute einstellen. Oft muss man, zumindest für eine gewisse Zeit, mit dem Arbeiten, was man hat. Jedoch ist oft genau dann die O-Komponente, die ja auch die Prozessgestaltung und -Optimierung umfasst, ein guter Ansatzpunkt, der leider häufig stiefmütterlich behandelt wird.

Lustige Tipps oder betriebswirtschaftlich nachweisbare Ergebnisse

Nimmt man all diese Argumente zusammen, verwundert es, dass manche Anbieter die Maßnahmenableitung in der GBpsych mit pauschalen „Maßnahmen-Tipps“ nach Auswertung einer schriftlichen Befragung abzuhaken versuchen. Führungskräfte werden dann oft mit Kurzbeschreibungen, wie beispielsweise eine Mediation funktioniert, abgespeist, ungeachtet der Komplexität der Thematik, welche üblicherweise eine lange und sehr praktische Ausbildung beim Mediator voraussetzt.

Einige Anbieter, die eher ihre GBpsych-Software vermarkten wollen, empfehlen Unternehmen, die GBpsych in Eigenregie durchzuführen und intern Führungskräfte oder HR damit zu beauftragen. Diese Vorgehensweise ist nicht nur aus den bereits genannten Gründen der Fachkenntnis nicht ideal. In der GBpsych kommen häufiger auch Themen auf, die das soziale Miteinander, auch mit der Führungskraft, betreffen. Naturgemäß werden Mitarbeitende sich in einem von ihrer eigenen Führungskraft moderierten Workshop nicht offen zu Problemen im Führungsverhalten äußern. Solche Teams, in denen die Mitarbeitenden dies tun würden, haben in der Regel kein Führungsproblem.

Selbes trifft auf HR zu, weshalb die Durchführung mit neutralen Moderatoren unbedingt zu empfehlen ist. Gerade die zentrale Rolle der Personalabteilung in vielen wichtigen Mitarbeitendenthemen spricht klar gegen eine Moderationsfunktion.

Eine Beauftragung der Führungskräfte wird von ihnen mal mehr mal weniger als einseitige Verantwortungszuschreibung empfunden. Gerade die Unterstützung der Führungskräfte im und durch den Prozess ist aber gerade mit Blick auf die gezielte Ableitung und Umsetzung von Maßnahmen von zentraler Bedeutung.

Auch die Bearbeitung übergreifender Themen bleibt häufig auf der Strecke, wenn Führungskräfte die Workshops moderieren. Sie fokussieren sich dabei verständlicherweise auf die Themen, die sie selbst lösen können und organisationsweite Ansätze werden oft nicht erkannt. Dabei entfalten gerade solche Maßnahmen oft enormes Potential für die Gesundheit, Leistungsfähigkeit und Produktivität von Belegschaften und Organisationen.

Ihre Entscheidung. Ihre gezielte Investition … oder eben nicht!

Letztlich muss jedes Unternehmen und jede Organisation für sich beurteilen und entscheiden welche Herangehensweise und Lösung machbar und richtig ist. Dazu ist es jedoch wichtig eine gute Entscheidungsgrundlage zu haben.

Schauen Sie genau auf den Leistungsumfang. Stellen Sie gezielt die richtigen Fragen. Nehmen Sie dazu gerne unsere Checkliste zur Hilfe.